Donnerstag, 26. August 2010

Tag 27: O Cebreiro - Triacastela

Wolfgang's Text heute:
Der heutige Tag startete mit einer Diskussion zwischen Steffi und mir. Grund dafür war, weil ich heute eine gefühlte Viertelstunde auf Steffi vor der Herberge warten musste, bis sie gemütlich antrabte. Ihre Begründung war, dass im Damenklo so viel los war. Ich habs darauf geschoben, dass sie sich zu viel Farbe ins Gesicht schmiert und es deswegen so lange gedauert hat. Nach einer halben Stunde durch ein dunkles Waldstück schweigend laufen, war unser „Problem“ aber wieder gelöst. Wahrscheinlich war ich auch nur unausgeschlafen. Auf der Strecke gabs keine besonderen Höhepunkte, die Landschaft war genauso schön wie auch gestern schon, es war sehr wenig los auf der Strecke und wir sind heute gut vorangekommen.

Viel interessanter verlief für mich der Abend. Wir waren bereits in unserem heutigen Zielort und auf dem Weg zum Supermarkt als wir einen alten Bekannten wieder trafen. Wie immer hielten wir einen kurzen Smalltalk und verabschiedeten uns. Später traf ich den Kerl, nennen wir ihn einfach mal Bernd (ich will ja niemandem zu nahe treten), in der Herberge wieder. Bernd saß draußen total abgekämpft auf einem Plastikstuhl und rauchte. Ich gesellte mich zu ihm und er erzählte mir die Horrorgeschichten seiner letzten zwei Tage. Ich weiß inzwischen, dass Bernd maßlos übertreibt und so auch heute. Er war angeblich heute 15 Stunden unterwegs auf einem Spezial-Camino, dem Camino-Wolfram, und sei heute 50 km gelaufen usw. Irgendwann redeten wir über die Leute, die sonst noch so auf dem „Camino“ unterwegs sind. Da fing er glatt an zu erzählen, dass es hier auf dem Weg ein Paar gibt, dass gemeinsam nach Santiago läuft und dort heiratet. Klar, er meinte damit uns. Erschreckend war für mich nur, dass er mich nicht mehr erkannte und vergessen hatte, dass ich der vermeintliche Bräutigam bin.
Wir haben seit unserem Start vor fast vier Wochen jede Menge Leute kennen gelernt und es waren überdurchschnittlich viele abgedrehte Persönlichkeiten dabei. Manchmal bedauernswert, aber größeres Urteil will ich mir an dieser Stelle nicht erlauben, da ich deren Schicksale nicht kenne.


Steffi's Text heute:
Heute war für mich (Steffi) irgendwie ein seltsamer Tag. Die relativ kurze Etappe hinunter ins Tal nach Triacastela war schön, mit toller Aussicht auf Berge und Wiesen. Hier und da ein paar Kühe, Hunde, Hühner und Pferde. Teilweise war es sehr windig, dann wieder sehr heiß. Der Abstieg ist für Wolf immer sehr anstrengend, da die Bergwege sehr steinig sind. Dann reden wir nicht viel. Heute haben wir uns am Wegrand saftige Brombeeren gegönnt (die natürlich relativ weit oben hingen, man weiß ja nie). Ansonsten waren diese vor Galicien eigentlich immer nur vertrocknet. Man merkt der Gegend also den Regenreichtum an. Im ersten Örtchen, (jedes Dorf war wirklich ein reines Kuhkaff wie man so schön sagt, denn überall roch es stark nach Gülle - auch der ganze Boden war voll davon) gönnten wir uns wie jeden Morgen eine Tasse Tee bzw. Cola Cacao (so heißt der Kaba hier) und anstatt eines Croissant ein getoastetes Stück Brot mit Magarine und Marmelade. War nicht so der Brüller, aber naja. Ich vermisse ja schon die ganze Zeit über unsere tolle deutsche Brotvielfalt und vor allem Vollkornbrot und Co! Gegen 13 Uhr erreichten wir dann das 1000 Einwohner große Dorf und suchten uns aus der Vielfalt der Herbergen unser Nachtlager. Laut unsres Führers „ein gelungener Neubau hinter einer unscheinbaren Fassade, der traditionelle und moderne Elemente gekonnt vereint.“ Ehrlich gesagt bin ich sehr enttäuscht, denn für starke 9 Euro, die seither teuerste Herberge, kann ich hier beinahe nichts entdecken, worüber ich sagen würde, es sei gekonnt vereint oder dergleichen. Da hatten wir schon bessere und wesentlich günstigere Unterkünfte. Man fühlt sich wirklich abgezockt als armer Pilger. Zwar stehen die Bette im Zimmer ausreichend weit voneinander getrennt und die Sanitäranlagen sind sauber und reichlich vorhanden, aber trotzdem sehe ich doch sofort, was wirklich sauber und ordentlich ist. Nämlich eigentlich nix. Das Waschbecken zum Wäschewaschen steht vor Dreck und Schimmel und hinterm Haus, wo man die Wäsche dann trocknet bzw. aufhängt, liegt auch Müll und Dreck. Für 9 Euro hat sich auch keiner die Mühe gemacht, die Wiese oder den Hof zu gestalten.
Ich glaube aber, dass mir und Wolf das Ganze auch deshalb wieder stark auffällt, weil wir einfach genug haben. Am liebsten lauf ich eigentlich durch die Gegend, wenn ich ehrlich bin :-). Und das Schlimmste kommt noch! Gerade will ich den Überzug über mein Bett stülpen, krabbelt auch schon ein „bedbug“, also eine Bettwanze drüber!!! Wir haben ja immer nur die Spuren der ekligen Dinger an den Beinen der anderen gesehen, aber nie die Biester selbst! Na dann gute Nacht! Ich pack mich auf jeden Fall ganz in meinen Schlafsack ein, egal wie sehr ich schwitze...tsss.
Bis Santiago sind es noch ca. 140 km. Buen Camino !

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